Nicht einmischen

Ich freue mich, Ihnen das vierte und let­zte Werk aus der Serie Weich­linge bekan­nt­geben zu kön­nen: <Nr35 Weich­ling 4>

Eigentlich möchte der Weichling gar kein Weichling sein — ich bin ein Weichling

- Nr35 Weich­ling 4, mara 2013
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Tatenlos unbarmherzig

Im Jahre 1964 kam Kit­ty Gen­ovese in Queens New York durch ein bru­tales Ver­brechen ums Leben. Über einen Zeitraum von unvorstell­bar lan­gen 30 Minuten wurde das Opfer vom Täter mehrfach schw­er ver­let­zt, verge­waltigt und am Ende ermordet. Die Schreie der damals 28 jähri­gen Frau wur­den von erschreck­end vie­len Nach­barn wahrgenom­men, ohne dass diese die Polizei riefen: New York Times: „Achtund­dreißig sahen den Mord und riefen nicht die Polizei“. Ins­beson­dere die unbarmherzige Taten­losigkeit wurde in der Folge bre­it medi­al­isiert, gab einige Zeit schw­er zu denken und schliesslich auch zu forschen. Dabei stiessen ver­schiedene Wis­senschafter auf einen beun­ruhi­gen­den sozialen Defekt von uns Men­schen, den soge­nan­nten “Bystander Effekt” (auch “Zuschauer­ef­fekt” oder “Gen­ovese-Syn­drom” genannt).

Bystander Effekt

Je größer die Anzahl der Zuschauer bei ein­er Not­fall­si­t­u­a­tion oder einem Ver­brechen, desto geringer (sic!) die Wahrschein­lichkeit, dass jemand hilft.

Eigentlich würde man doch erwarten, dass mit zunehmender Anzahl von Per­so­n­en um einen Not­fall herum eher jemand zu Hil­fe eilt. Dass dem nicht so ist, zeigt eine Serie von Stu­di­en. Ein Zeuge des Über­falls an Kit­ty Gen­ovese gab später zu Pro­tokoll: “I did­n’t want to get involved”...

Übri­gens — auch das ergaben die Forschungsar­beit­en: Soll­ten Sie sel­ber ein­mal ange­grif­f­en wer­den, zeigen Sie am besten mit dem Fin­ger auf einen Pas­san­ten (“Sie mit der blauen Jacke”) und bit­ten speziell ihn um Hil­fe. Er wird dann die Ver­ant­wor­tung weniger auf andere abschieben wollen. Und sobald der erste Pas­sant zu Hil­fe eilt, wer­den sich die anderen eher an ihm ori­en­tieren und folgen.

Lesen hilft

Durch das Lesen von Artikeln über das Gen­ovese Syn­drom kon­nte die spon­tane Hil­fs­bere­itschaft gesteigert wer­den. Ver­suchsper­so­n­en, die zum Beispiel von Dar­leys und Latanés Forschun­gen (s.u) lasen, halfen in Not­fällen fast dop­pelt so oft wie andere. (Der vor­liegende Artikel darf übri­gens weit­eremp­fohlen werden ;-)

Zum Werk

Zur Werk­seite <Nr25 Weich­ling 4> mit weit­eren Bildern, Werk-Dat­en und einem Kom­men­tar von W. Studer

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Links

  • Kit­ty Gen­ovese — Ihr Schicksal
  • Gen­ovese Syn­drom — Ein beun­ruhi­gen­der sozialer Defekt
  • Bystander Effekt — John Dar­ley und Bibb Latane (1968). Bystander inter­ven­tion in emer­gen­cies: Dif­fu­sion of respon­si­bil­i­ty. Jour­nal of Per­son­al­i­ty and Social Psy­chol­o­gy, Band 8, Num­mer 4, Seite 377–383

4 thoughts on “Nicht einmischen

  1. Grat­uliere zum neuen Werk! Der vierte Weich­ling bricht das schw­er-weiche der Weich­linge 1–3 auf und präsen­tiert sich leicht, luftig und.…blutrot. Ein Wolf im Schafpelz.

    ELVIS VOR EVER

  2. Danke für den aufrüt­tel­nden Artikel. Ihr Weich­ling 4 ist auf den ersten Blick dur­chaus weich, im Zusam­men­hang mit Kit­ty Gen­ovese aber beängsti­gend hart. Ich finde, es wäre gut, an den Schulen über den den Zuschauer Effekt zu reden, um die Schüler zu sen­si­bil­isieren, spon­tan zu helfen.


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