Bereit zu foltern?

Ich freue mich, Ihnen das zweite Werk aus der Serie Weich­linge bekan­nt­geben zu kön­nen: <Nr26 Weich­ling 2>

Eigentlich möchte der Weichling gar kein Weichling sein — ich bin ein Weichling

- Nr26 Weich­ling 2, mara 2013
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Die meis­ten Test­per­so­n­en sind bere­it zu gehorchen und ein­er anderen Per­son Grausamkeit­en zuzufü­gen, wenn dies von ein­er Autoritätsper­son ange­ord­net wird – und zwar auch dann, wenn dies in direk­tem Wider­spruch zum eige­nen Gewis­sen steht.

1961 kon­nte im berühmt-berüchtigten Mil­gram-Exper­i­ment erst­mals gezeigt wer­den, dass die Bere­itschaft zum grausamen Gehor­sam viel gröss­er ist, als gemein­hin angenom­men — und zwar auch dann, wenn dieser in direk­tem Wider­spruch zum eige­nen Gewis­sen ste­ht: Zwei Drit­tel der (40 männlichen) Test­per­so­n­en waren dazu bere­it, ein­er unbekan­nten Per­son grausame Strom­schläge (max. 450 Volt) zuzufü­gen, wenn es eine Autoritätsper­son von ihnen ver­langte. Das Mil­gram-Exper­i­ment wurde zum bekan­ntesten psy­chol­o­gis­chen Ver­such aller Zeit­en und die Ergeb­nisse lassen bis heute nie­man­den kalt, der von ihnen hört oder liest. Der Psy­chologe Stan­ley Mil­gram erhielt für seine Unter­suchung zuerst (1964) den Preis der Amer­i­can Asso­ci­a­tion for the Advance­ment of Sci­ence, später ver­weigerte die Har­ward Uni­ver­si­ty eine Anstel­lung Mil­grams auf­grund heftiger Kri­tik an seinem Experiment.

Im Jahre 2007 nun wieder­holten Forsch­er der Uni­ver­sität San­ta Clara, Kali­fornien, das Mil­gram-Exper­i­ment unter mod­i­fiz­erten Bedin­gun­gen (J. Burg­er, St. Clara Univ. 2007). Die bei Mil­gram geäußerten ethis­chen Bedenken wur­den berück­sichtigt und ergänzend auch Frauen als Test­per­so­n­en ein­be­zo­gen. Wer nun gehofft hätte, dass sich die Men­schheit knapp ein halbes Jahrhun­dert nach den erschreck­enden Erken­nt­nis­sen Mil­grams moralisch weit­er­en­twick­elt habe, sah sich getäuscht: Erneut gin­gen 70 % der Test­per­so­n­en bis zur Max­i­mal­stärke der Strom­schläge (150 Volt). Und nein — es ergaben sich keine sig­nifikat­en Unter­schiede zwis­chen Män­nern und Frauen.

Bereit zu foltern?

Lassen Sie es uns opti­mistisch for­mulieren: Zwar fol­gte die Mehrheit der getesteten Män­ner und Frauen der Anord­nung zu foltern — aber nicht alle.

Zum Werk

Zur Werk­seite <Nr26 Weich­ling 2> mit weit­eren Bildern, Werk-Dat­en und einem Kom­men­tar von W. Studer

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2 thoughts on “Bereit zu foltern?

  1. Das Exper­i­ment zeigt nicht nur, zu welchen Grausamkeit­en der “Nor­mal­bürg­er” fähig ist, son­dern weist auch auf die Autoritäts­gläu­bigkeit des Men­schen hin — offen­bar unverän­dert in der heuti­gen Zeit. Sich ein­er Autorität unterzuord­nen, statt dem eige­nen Gewis­sen zu fol­gen, ist für viele der ein­fachere Weg. Darf man sie in jedem Fall dafür verurteilen? Wie hätte man sich sel­ber entsch­ieden? Inter­es­sant ist die Frage, was den­jeni­gen aus­macht, der sich unmen­schlichen Befehlen widersetzt.

  2. DENKEN VERSUS FOLTER

    Du hast uns wiedere­in­mal voll erwis­cht, lieber Mar­cel, mit deinem Artikel!

    Da haben wir Men­schen uns über Jahrtausende Strate­gien der Ver­drän­gung aus­gedacht. Vor allem die Sün­den­bock-Meth­ode, die mit Begrif­f­en wie “Luz­ifer”, “Teufel”, “Satan” usw. den Hor­ror vom Men­schen abzutren­nen ver­sucht. Jedoch ist das Phänomen des Bösen so unab­d­ing­bar und abso­lut mit den Men­schen ver­bun­den, wie es dessen Fähigkeit ist, als einziges uns bekan­ntes Wesen dage­gen ange­hen zu können.

    Dies allerd­ings geht nur, wenn wir die Sün­den­bock-Meth­ode radikal über Bord schmeis­sen und in ein­er nicht moral­isieren­den Offen­heit nachzu­denken begin­nen, die vor rein gar nichts zurückschreckt – nicht ein­mal vor der Möglichkeit der guten Tat!

    Schon der kle­in­ste Ver­such lohnt sich sofort: man erschrickt weniger beim Betra­cht­en der Welt, des Selb­st und gewiss auch etwa beim Lesen deines Artikels, lieber Marcel.


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