Oder so…

Aus der Serie «Sprachperlen»

Nr70 EIN(S)FALL

Nr70 EIN(S)FALL

(stu) Das neue Werk des Kunst­wer­kers ist ein­mal mehr ein schö­nes Stück aus der Zau­ber­ki­ste der gepfleg­ten Bür­ger­lich­keit. Und der Kunst­wer­ker legt Wert dar­auf, genau die­se Ober­flä­che der wahr­neh­men­den Betrach­tung anzu­bie­ten, als wär der EIN(S)FALL ein harm­los apo­li­tisch gewich­te­tes AMUSE YEUX. Eine Bie­der­kunst, ein Gera­ni­um auf dem Bal­kon des Kunst­schaf­fens und ein bild­ge­wor­de­nes Augen­zwin­kern all jenen, die zwar früh lächeln, aber spät oder nie hin­ter die Din­ge zu sehen vermögen.

Da ist der gepflegt aus­ge­pen­del­te Grau­keil, der vom Weiss der EINS zum Gra­vitgrau der Sockel­plat­te die Sin­ne beru­higt. Da ist das klei­ne rote Recht­eck, das in die eine Ecke des Recht­ecks der Basis­plat­te ten­diert — ohne dass wir je eine Erklä­rung dafür fin­den könn­ten, aus­ser die eine gestal­te­ri­sche Wahr­heit, dass eben die­ses Rote einen gefäl­li­gen Kon­trast und ein dra­ma­tur­gi­sches Rät­sel ergibt.

Ohne­hin ist nicht ganz sicher, ob wir es hier mit einer Art Klein­pla­stik, einer Baste­lei als Skulp­tur oder einer Instal­la­ti­on zu tun haben. In Wahr­heit ist es eine Insze­nie­rung von Far­be, Form und dada­isti­schem Kalau­ern bzw. KUNSTSPRECH, wie es der Kunst­wer­ker andern­orts akzen­tu­ie­rend, aber — wie bei ihm üblich — nicht erläu­ternd, einführt.

Mög­lich und natür­lich beab­sich­tigt ist die Evo­ka­ti­on von Asso­zia­ti­ons­ket­ten in Bereich von Far­be, Form und Spra­che, die den Radi­us des vor­lie­gen­den Kunst­wer­kes, dem EIN(S)FALL im Sin­ne des Autors zum räum­lich-den­ke­ri­schen und somit auch dyna­mi­schen GROSSEREIGNISS generiert.

Es ist also voll­stän­dig rich­tig, alles im EIN(S)FALL ver­wirk­licht zu sehen, was uns in den Sinn kommt, was unser Den­ken beschäf­tigt hält und was die­ses sich erklä­ren lässt. Sie ver­ste­hen rich­tig, wenn sie erken­nen, dass wir selbst zum künst­le­ri­schen Tun und den­ken ver­lei­tet wer­den sol­len. Es ist dem Kunst­wer­ker, der hier eigent­lich zum Alche­mi­sten wird, voll­stän­dig egal was wir sehen und erschaf­fen und her­aus­lö­sen aus dem, was wir ver­meint­lich als Wirk­lich­keit begrei­fen möch­ten. In der Tat kön­nen die zur Künst­ler­schaft ange­lei­te­ten, also alle, die sich mit die­sem Werk beschäf­ti­gen, von der sym­bo­lisch zeit­ge­schicht­lich begrif­fe­nen Guil­lo­ti­nie­ren der Welt, des Ein­zel­nen, der Kul­tur oder was auch immer, bis hin zum dada­istisch und post­ku­bi­stisch aus­ge­führ­ten Abstrak­ti­on eines Grau­pa­pa­gei­en, des­sen Far­big­keit und — ver­ge­gen­wär­tigt man sich den Haken der fal­len­den EINS — und Form Mara im vor­lie­gen­den Werk umge­setzt haben mag. Ob gepfleg­te apo­ka­lyp­ti­sche End­sicht oder men­gen­theo­re­ti­sche Basis­glei­chung; ob gesell­schafts­po­li­tisch ein­ge­fro­re­ner Fall der soge­nann­ten Ersten Welt oder tie­fen­psy­cho­lo­gisch auto­the­ra­peu­ti­sches Sehn­suchts­werk aus­ge­führt als freu­dia­ni­sches Phal­lus­theo­rem. All dies und fast unend­lich Vie­les mehr wird ange­sichts des EIN(S)FALL geschaf­fen, um also gleich ver­wor­fen und ersetzt zu wer­den und es wird als sol­ches nicht wirk­lich bedeu­tend sein. Aller­dings wird unse­re jewei­li­ge Asso­zia­ti­ons­ar­chi­tek­tur auf bzw. inner­halb des­sen gebaut sein, was Mara als RAHMEN meint. Das bedeu­tet ganz ein­fach, dass die Betrach­ter ihren eige­nen RAHMEN sich sicht­bar machen und zugleich erken­nen, dass ins­ge­samt eine RAHMENHANDLUNG vor­liegt, ob wir nun wol­len oder nicht.

Die­se deter­mi­ni­sti­sche Grenz­erfah­rung ist nicht leicht zu gou­tie­ren — aber neh­men wir es mit Humor, denn immer­hin betrifft es uns alle­samt, also auch den Kunst­wer­ker selbst. Exi­sten­zi­ell gese­hen, sind WIR ALLE RAHMEN UND RAHMENHANDLUNG UNSERER SELBST — der Kunst­wer­ker also ein Skla­ve sei­nes Kunst­wer­kens — oder so…

Nov 2015, W. Stu­der

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