Miniaturfigur (Preiser) stehend, Holzsockel rund weiss, 5x5x30 cm (LxBxH), © mara 2016
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Inspiration
Unter dem Zwang stetiger Produktivitätssteigerung wird der global mobile SINGLE für die Wirtschaft zum idealen Mitarbeiter. Denn als solcher lässt er sich am leichtesten rund um die Uhr in Anspruch nehmen und je nach Bedarf weltweit umherschieben. Flexibilität wird zur höchsten Tugend, individuelle Festlegungen und Verbindlichkeiten werden hingegen zu persönlichen Defiziten erklärt. So erstaunt es nicht, dass mittlerweile immer mehr Jugendliche davon überzeugt sind, dass Heiraten ein Lebensrisiko darstellt. Dies trifft in gleicher Weise für das Vorhaben zu, eine Familie zu gründen. Bereits wird allein schon das Eingehen einer festen privaten Beziehung als optionseinschränkende Zumutung empfunden.
Aber auch als Kosument ist der entfesselte SINGLE der Wirtschaft Liebkind. Denn zwei SINGLES konsumieren doppelt, was ein Paar teilt. Wie kaum eine andere Bevölkerungsgruppe werden (Wohlstands-) SINGLES deshalb auf den Sockel der Konsumgesellschaft gehoben. Es könnte allerdings sein, dass der SINGLE bald einmal von seinem Spitzenplatz verdrängt wird von einer Art Super-Single, dem MINGLE, aber das ist eine andere Geschichte…
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vergl. Mathias Binswanger, Die Tretmühlen des Glücks
Werk
<Nr76 Single> Unbegrenztes Wachsdum als Garant für Stabilität, Wohlstand, Arbeitsplätze, Hilfe für die Schwachen und zuletzt auch noch als Garant für das angebliche Glücksgefühl. Hier der Single als Idealmodell des entfesselten Mitarbeiters und — Konsumenten. Kunstsprech: “SINGLE-ART”.
Zum Werkkommentar
Klassifikation
<Nr76 Single> ist ein Werk aus dem Werkraum Wachsdum
Bekanntgabe
März 2016 → Entfesseltes Idealmodell der Konsumgesellschaft, Prolog zum Werk Nr76
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Sozialgeschlechteter gemischter Idiot
Kommentar zum Werk Nr76
von Walter Studer
(stu) Da ist er wieder — der Kunstwerker mit einem neuen Werk, das auf Anhieb schon mal verblüfft, weil es ein Werk ist, dessen Plot schon das Werk selbst ist. Das aus dem Modellbauangebot stammende Figürchen ist per se keine Kunst — allein auf den Sockel gestellt und ins Licht gerückt ist es die unmittelbare Entsprechung bzw. Verkörperung des Titelbegriffs SINGLE und es ergibt sich in dieser engen Koppelung von Schrift und Skulptur eine gewollt permanent wahrnehm- und hinterfragbare Dynamik, in der das WORT auf ewig dem BILD den Rang ablaufen will und umgekehrt. Ein unzweifelhaftes DEUS EX MACHINA als PERPETUUM MOBILE der Wahrnehmung somit, welches sich — im Wissen darum — dieser sofort eröffnet, wie der Selbstversuch sofort beweist.
Dieser Single in der Form eines blonden, weissen Mittdreissigers mit trendiger Schopffrisur und coolem Dreiviertelhemd im Schwarz der Friseure und Spontifernsehköche trägt seine Wohlstandswampe mit der Lässigkeit und Würde seiner grundlegend athletischen Figur, die er unserm Blick selbstbewusst im Stile einer Showdown fähigen Einmannarmee entgegenstemmt, obwohl dieser gefühlt zwischen 180 cm bis 190 cm anzunehmende Hüne uns im miniaturisierenden Massstab als lediglich rund 8 cm grosser Däumling auf seinem Piedestal aufwartet.
Wie der Kunstwerker versichert, hat er zwar luststeigernd aber ganz und gar aussagezentriert diese Figur des nachmalig im gleichnamigen Werk zum SINGLE Erhobenen, unter einem beträchtlichen Angebot von Figürchen bewusst ausgesucht. Denn die blasse Abstraktion einer menschlichen Figur hätte es nicht getan. Es geht dem Kunstwerker um die Darstellung des Herrn JEDERMANN im Drama des EWIGEN KONSUMS, und der muss uns unmittelbar als ein dieser Welt affiner an seinem OUTFIT signalisiert sein. Natürlich könnte es auch eine Sie, ein weiblicher Single sein, die den Typ des HOMO CONSUMANS CONSUMANS, die Weiterentwicklung des HOMO SAPIENS SAPIENS, repräsentieren könnte. Allerdings würden sich daraus komplexe und brisante Konnotationen ergeben, für die, wie wir weiter unten noch sehen werden, unsere Zeit doch noch nicht ganz reif ist.
Wie schon lange vor MACHIAVELLI und CAESAR in der mehr als zweifelhaften Kunst des Kriegens und Herrschens bekannt war, gilt das Primat TEILE UND HERRSCHE. Im Krieg des wachstumswahnsinnigen Marktes und dessen Manipulatoren und Profiteuren heisst dies, das Heer, oder sinngemäss übertragen, die Herde der Konsumenten und Konsumentinnen derart in die Vereinzelung und Isolation zu führen, dass keinerlei konspirativ nachdenk- und deshalb widerstandsfähige Solidargemeinschaften mehr möglich sind. Der Ideale Konsument ist dann jener, dessen Autoimmunsystem keinerlei Abwehr mehr leistet und der im Gegenteil den Konsum frenetisch begrüsst, um bei jeglichem Konsumakt jeweils den Anschein von Individuum und Persönlichkeit aufleben zu lassen. Diese Chimäre eines vermeintlichen Selbst kann dann zur Freude der Kriegsherren nur durch pausenlosen Konsum aufrecht erhalten werden. Dieser Zustand des HABEN-Wollens verdrängt allerdings das eigentliche SEIN — so lehrt uns der gerade heute zunehmend aktuelle ERICH FROMM, dessen Ausführungen aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts zu lesen noch nicht zu spät ist — selbst wenn es grosso modo bereits fünf nach zwölf sein sollte.
Dieser euphemistisch als SUCHTPERSÖNLICHKEIT definierte Schwächling ist in der gradlinigen und zur Didaktik neigenden Ästhetik des Kunstwerkers durchaus noch in seiner Steigerung des MINGLE vorstellbar. Der MIXT SINGLE, kontrahiert MINGLE geheissen, ist jener bindungsscheue oder gar bindungsunfähige Single, der seine Sehnsucht nach dem Du in einer bestenfalls sporadisch permanenten und vollständig unverbindlichen Begegnung mit einem Gegenüber zu verwirklichen sucht. Anstelle einer verbindlich verantwortlichen Beziehung setzt der MINGLE gewissermassen den permanenten ONE NIGHT STAND. Dieser MINGLE ist ein potentiell noch patenterer Dauerkonsument und Agent des Konsums als der Single, denn trotz seiner für sich genommen tendenziell konsumbornierenden Unverbindlichkeit, hat er eben im Zusammenspiel mit seinem Mixpartner, dem anderen MINGLE dieses irrealen Duos, ein zusätzliches Agens und zusätzliches Feld des Konsums gefunden. Auch wenn diese wie gesagt lineare Stilisierung Maras operativen Überlegungen nicht wirklich stand halten würde, hat der Kunstwerker präzise den Finger in die Wunde des Konsumwahns gelegt und die Faust auf den Buzzer unserer Denkkultur gehauen. Vor allem lenkt er unseren Blick sachte und indirekt aber hoffentlich nachhaltig auf die mögliche Superlative des HOMO CONSUMANS CONSUMANS. Es wäre dies der GEMINGLE! Dieses Wortmonstrum ist die Kontraktion von GENDERED MIXT SINGLE.
Was ist GENDER? Schon lange vor dem aufgeklärten 18.Jahrhundert, vor allem aber dann seit den 40er Jahren des letzten, des 20igsten Jahrhunderts beschäftigte man sich in mancherlei Forschungsfeldern (Theologie, Philosophie, Geschichte, Philologie, Ethnologie, Jurisprudenz und schliesslich den jungen Fakultäten der Psychiatrie, Psychologie, Soziologie, Politologie, Pädagogik und im Feminismus) mit der Frage, ob das sexuelle Geschlecht den Menschen in absoluter Unbedingtheit in einem demgemässen Rollenverhalten bestimme, oder ob es nicht mindestens noch ein Geschlecht gibt, das durch das Leben eines bestimmten und weitgehend geschlechtsunabhäng zu sehenden Charakters in einer historisch-kulturell geprägten Gesellschaft zu verstehen ist. Ein durch soziale Interaktion erzeugtes Geschlecht, das man dann vollständig unabhängig vom Sexus als SOZIALES GESCHLECHT wahrzunehmen hat. So weit so gut und allenthalben für die ganze Gesellschaft wirklich wichtig, nicht zuletzt, weil es konservativ eingeengte Rollenbilder bei beiden Geschlechtern zurechtrücken und, mit Augenmass angewendet, zu einem neuen freieren Bewusstsein in Erziehung und Erwachsenenalltag hinführen kann.
Es ist nicht verwunderlich und im übrigen verdienstvoll, dass dieses GENDER-Moment vorwiegend Gegenstand des Feminismus geworden ist, denn es ist aktiver Teil im Entstehen eines neuen und gerechteren Menschenbildes und dito Frauenbildes. Allerdings stösst die im Aktionsfeld der GENDER-Frage und Forschung zunehmend einer gesunden Entwicklung von Weiblein und Männlein obstruktiv entgegenwirkende Ideologistische und pseudomathematische Verschachtelnden und Gleichmachereien sauer auf. So wird etwa in der Genderforschung vorab feministischer Gewichtung beispielsweise — und dies ist kein Witz — das soziale Geschlecht der MÄNNIN postuliert! Diesem Begriff immanent ist dann natürlich der FRAUER. Wenn also eine MÄNNIN mit einem FRAUER eine Beziehung eingeht, die auch den SEXUS beinhaltet, ergibt sich eine parallel und übers Kreuz geführte doppelte heterosexuelle und gleichzeitig homosexuelle und auch noch bisexuelle Beziehung. Hier wo der Spass offensichtlich beginnt, muss er auch gleich wieder aufhören. Denn eine derartige die Identität zersetzende Irritation führt über die oben konstatierte Ich-Schwäche des SINGLE und MINGLE hinaus und erhöht zur Freude und Nutzen der ewigen Profiteure des Marktes hinaus die Unfähigkeit des Individuums NEIN ZUM KONSUM sagen zu können. Und eben darum ist der GEMINGLE als Klimax und Motor des durch ihn perpetuierten Konsumismus und des Wachstumswahns anzusehen.
Zu Abschluss möchte ich der Leserschaft noch die, wie ich meine entlarvende deutsche Version von GEMINGLE zum Nachdenken anheimstellen. In Deutsch wäre dies der SOZ-GESCHL-GEM-IDIOT, was die Kontraktion von SOZIALGESCHLECHTETER GEMISCHTER IDIOT ist, wobei der Begriff Idiot primär im ursprünglichen griechischen Sinn des Begriffes IDIOTES zu verstehen ist, was in etwa PRIVATPERSON oder ALLEINSTEHENDE PERSON bedeutet — neudeutsch das englische SINGLE halt.
Wer hätte das gedacht?!
März 2016, W. Studer
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