Meerschweinchen-Balg (Caviidae) synth., Sockel schwarz, 22x22x5 cm (LxBxH), © mara 2017
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Inspiration
Mehr Schwein oder Meerschwein — das ist hier die Frage.
“Man muss das abwägen. Der Herztod ist die häufigste Todesursache […] Wir haben einfach zu wenig menschliche Spenderorgane, deshalb brauchen wir eine Alternative” – Herzchirurg
P.S. Gemeint ist die Xenotransplantation von Schweine-Herzen auf den Menschen.
Werk
Zwischen der ersten und zweiten Milliarde Individuen hat sich die Wachstumsgeschwindigkeit der Menschheit mehr als versiebentausendfacht. Noch in der Antike lag die Lebenserwartung der Menschen bei durchschnittlich 30 Jahren, heute leben etliche bereits ein Jahrhundert und die Weltbevölkerung wächst täglich um fast eine Viertelmillion. Kunstsprech: GROWING-ART
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Klassifikation
<Nr89 MehrSchwein> ist ein Werk aus dem Werkraum Wachsdum
Bekanntgabe
März 2017 → Schweinereien, Prolog zum Werk Nr89
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Wahres Anti Aging
Kommentar zum Werk Nr89
von Walter Studer
(stu) Ist jetzt das Herzelein des Kunstwerkers und Psychiaters Mara vor Weltenschreck in die Puschelfinken gerutscht oder wühlt der erfahrene Ästhetik-Agitator unsereiner auf, indem er den gesteigerten JÖ-EFFEKT im Werk Numero 89, genannt MehrSchwein, auf die äusserst mögliche Darstellungsform bringt — jene Form nämlich, die noch vor dem kruden Spontanerbrechen kommt — jene Form die, gleichsam der extremsten Ausprägung von Pornographie, nämlich die realimmaginierte praktische Durchführung einer Transplantation eines Schweineherzens auf den Menschen stattfinden lässt? Ein Stück von einem Schwein wird genommen und ein Stück von einem Menschen entfernt und entsorgt. Und das Stück Schwein wird dem Menschen immanent gemacht, dem Menschen und dem Wachstum und dem Markt zum Wohlgefallen! Mehr Schwein eben. Und ein wenig nur weitergerechnet auf diesen Lebenslinien des Todes — oder umgekehrt — wird es offensichtlich, dass die Architektur des Hospitals und der Klinik, ja sogar jene der Rehabilitation sich in einer merkantil optimalen Überschneidung mit jener Architektur der modernen Schlachthäuser, die nota bene sich jetzt schon stolz und mit Überzeugung als HUMAN bezeichnen — weil sie ja den Tieren den Tod so unmerklich angenehm verabreichen als wär’s Ihnen, den Tieren, ein letztes Leckerli. Einmal linear angedacht zeigen sich die Möglichkeiten einer Mengenlehre, deren Durchschnittsmenge sich über die Zusammenlegung des Schlachtsaales hier mit dem Operationsraum der Transplantation da weiter vergrössern, ja sogar zur konsequenten totalen Durchschnittsmenge, der Identität also von beiden Strukturen in wirtschaftsgesunder Addition mit der Abfallentsorgung und Wiederaufbereitungsanlage im Bereich vorerst des primär Organischen, mit der innovativen Option der Verbindung mit dem Bereich des Anorganischen. Und dann gibt‘s kein Halten mehr: Die Erkenntnis ist eine steil exponentielle Explosion, wo auch Strukturen und Dienstbarkeiten wie Geburtskliniken, Friedhöfe, Energiegewinnung, Recycling und Service Public vereint und — wie auch schon mal versucht — die Abschaffung jeglicher Parteien ausserhalb des Primates von Dereguliertem Markt und Wachstum endlich vollzogen werden kann. Und bevor ich mich jetzt eingedenk der Möglichkeiten, die ich und Mara der Menschheit als tatsächlich zu befürchtender Horror andeutungsweise darlegen, doch noch übergebe, atme ich auf, beruhige mich, blinzle in die Frühlingssonne und komme auf die schon von Mara bezüglich der Lebenserwartung kurz erwähnte Antike zu sprechen.
Die Antike wird in der neueren Geschichtsforschung zu Recht auf mindestens ein Jahrtausend veranschlagt, denn erst heute kennt man unter anderem Zusammenhänge zwischen der älteren drakischen und der jüngeren griechischen Kultur, und man tut deshalb gut daran die sogenannte Antike als einen nur bedingt fassbaren multikulturellen und letztlich nur partiell überschaubaren Zeitraum zu verstehen, der sich nicht zur Schublade von Jahreszahlen eignet, der aber in einem ungeheuren Ausmasse bewusstseinsbildend war und zumindest peripher dies noch ist.
Soweit es das menschliche Herz betrifft, war sich das antike Bewusstsein absolut im Klaren: es, das Herz, war der Sitz des Denkens und Fühlens, und auch das Gewölbe der Erinnerung, auch Hort der Biographie, der man auch ein Vorher und ein Nachher zugeeignet sah, was wiederum zu zahlreichen Bildern der Transzendenz führte, die in mancherlei tradierter Form im Laufe der Zeit bis heute unsere Bewusstseinsregionen bestimmen. Nicht das Hirn dachte und speicherte und dirigierte. Es war das Herz, das die absolute Instanz für alle anderen materiell oder immateriell begriffenen Partien des Menschen darstellte und es galt als gewiss, dass dem kosmischen Partikel des Menschen, dem Herz, a priori eine materielle und eine nicht materielle Zeit zugeordnet war, das heisst das Herz war ewig und unzerstörbar, genau so wie eben die im Herzen einsitzende Seele und das, oder im weitverbreiteten Verständnis auch die damit GELEBTEN LEBEN, wobei auch den zukünftigen, noch zu lebenden Zeiten Rechnung zu tragen war.
Wer nun damit mögliches Nachdenken wegwischt, dass dies eben das übliche dumme Zeug vergangener unterentwickelter und dummer Kulturen sei, muss sich zum einen vergewärtigen, dass mit der absoluten Sicherheit des Dummen in naher Zukunft schon ein kluger Dummkopf das gleiche über ihn zu urteilen belieben wird. Und zum anderen gibt es seit den Zeiten Professor Barnards — dem unbestrittenen Nestor der Herztransplantation — Berichte, die zwar noch immer eher hinter vorgehaltener Hand weitergegeben werden, da sie von merkwürdigen Erinnerungen und in mehreren Fällen gerade auch in jüngster Zeit optischem Wissen erzählen, das vor der gelungenen Herztransplantation nicht da war. Es sind polizeiaktenkundigen Fälle bekannt, die sich niemand so richtig erklären mag. So soll sogar die Ermordung eines Mädchens aufgeklärt worden sein, weil der Nachbesitzerin dessen Herzen Opferwissen zugänglich wurde, das so stichhaltig verifiziert werden konnte, dass der Mörder gefasst werden konnte. Diesen und anderen solchen Fällen sind mittlerweile wissenschaftliche Morphologien zugeordnet worden, die wiederum ernsthaft wissenschaftlich untersucht und prinzipiell eher bestätigt als negiert werden können. Natürlich wuchert auch in diesem Feld das übliche pseudoesoterische Gestrüpp, das den vielen Bedürftigen zum Stecken und Stab (P23) geworden ist — aber der menschliche Geist, dem in seiner besten Form auch ernsthafte Wissenschaftlichkeit zugehörig ist, fürchtet sich nicht. Er kann Differenzieren und Gestrüpp jäten und verbrennen, um den Boden dem Herzen, der Demut und der Dankbarkeit-trotz-allem zu bereiten.
Wann haben Sie übrigens das letzte Mal die viel‑, die mehr‑, ja allessagende Atmosphäre eines Friedhofes genossen? Und zwar mit einem antiken Herzen, das zu Gunsten der MENSCHENZEIT gerne auf MEHR SCHWEIN und dessen Seins- und Unbewusstseinszustand verzichten mag? Glauben Sie mir: das ist WAHRES ANTI AGING! Und es ist kostenfrei und deshalb so unendlich teuer.
März 2017, W. Studer
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