Nr33 Wachsdum 3

Nr33 Wachs­dum 3, Epox­id­harz & Härter, Kun­stharz­farbe schwarz, 179 Stück Tur­bo Rac­er, 07x30x30 cm, © mara 2014.

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Inspiration

Aus­ge­hend vom aktuellen (Fahrzeug-) Wohl­stand­sniveau der Schweiz, vom weltweit­en Bevölkerungswach­s­tum und von ein­er durch­schnit­tlichen Fahrzeuglänge ergäbe sich fol­gen­des zusät­zlich­es Verkehrsaufkommen:

  • Jahr für Jahr eine zusät­zliche sechs bis sieben spurige Fahrzeugschlange von Neuwa­gen, ohne Abstand Stossstange an Stossstange und ein­mal rund um die Erde. Bemerkenswert! Aber wozu Schlangen beschwören, wenn doch die meis­ten in der Schweiz ungiftig sind?

Werk

Hun­dert­ne­u­nund­siebzig hochste­hende Mini-Autos im Harz des Wach­s­tum­swahns. Kun­st­sprech: LINE OF TRAFIC — ART.

Klassifikation

<Nr33 Wachs­dum 3> ist ein Werk aus dem Wer­kraum Wachsdum

Bekanntgabe

Mai 2014 → zum Artikel Schlangenbeschwörung

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Fifty Shades of Statistic

Kommentar zum Werk Nr33

MR_20140515_0016_Nr33 Wachsdum 3iSchon vor mehr als einem guten Jahrhun­dert, aber spätestens als Hen­ri Ford das Fliess­band, diese eben­so pro­duk­tive wie men­schlich grausame Früh­form des indus­triellen Robot­ers, zwecks Steigerung der Stück­zahl und zugun­sten eines erschwinglich tiefen Stück­preis­es in der Auto­mo­bil­pro­duk­tion einzuset­zen wusste, kam die bange Frage auf, die wir uns — lei­dens­fähig und zweckschein­heilig wie der HOMO AUTOMOBILIS nun ein­mal von Anfang an war — auch heute noch stellen: wohin soll dies noch führen? Wie viel Auto­mo­bil mit Ausstoss von Abgasen und expo­nen­tiell ansteigen­dem Kon­sum von Ressourcen kann sich das Raum­schiff Erde, dieses immer wieder als voll gewäh­nte Boot, denn noch leis­ten? Wie kann ein markt- und finan­zlib­erales Gemein­we­sen, der mod­erne Staat also, der neuen gross und gröss­er wer­den­den radi­alen Mobil­ität die spez­i­fis­che Infra­struk­tur bere­it­stellen, ohne nicht in zunehmend abse­hbar­erer Zeit einen räum­lichen und materiellen Kol­laps in ein­er total­en und unumkehrbaren Ver­mas­sung zu erleiden?

Bis anhin reagiert der zwar zur Ver­nun­ft fähige Men­sch in bestens bekan­nter Manier mit Ver­drän­gung. Diese an sich gar nicht mal so schlechte Form, mit dem Schreck­en umzuge­hen — zum Beispiel mit dem Hor­ror des unabän­der­lichen Todes, vorrab natür­lich dem des eige­nen Ster­bens — greift aber nicht immer. Dann näm­lich, wenn Gefahren abgewen­det wer­den kön­nten. Es stellt sich die Frage, ob der Wach­s­tum­swahn noch heil­bar, ob dem VERMASSUNGSGAU noch vorzubeu­gen ist?

Im Falle des Auto­mo­bils und der zuge­höri­gen Mobil­ität ist es merk­würdi­ger­weise nicht alleine in unseren Lande dur­chaus üblich und möglich, ent­ge­gen auch der hand- und kopf­füs­sig­sten Sta­tis­tiken, ganz ein­fach das Gegen­teil zu behaupten und sich zu Geis­tes­blitzen hin­reis­sen und hochschaukeln zu lassen, so wie es etwa jen­er immer wieder neu einge­brachte Vorstoss bedeutet, die Auto­bah­nen eben zunehmend zwei und mehrstöck­ig auszubauen, damit wir die ja so notwendi­gen Wach­s­tums­branchen rund um das längst zum Fetisch ein­er süchti­gen Mobil­itäts­ge­sellschaft gewor­de­nen Auto nicht desavouieren oder gar seine Her­stel­lung und sein Gebrauch reg­ulieren müssen.

Klar steckt hin­ter dem konzep­tkün­st­lerisch einge­set­zten Pack­en von zig Model­lau­tos auch ein gerüt­telt Mass an kindlich spielerisch­er Freude. Der reinen und irgend­wie unerk­lär­baren Freude auch der Ästhetik des Kleinen als dem Gegen­spiel­er des wirk­lichkeits­be­lasteten Grossen. Eine Prise Laus­bub und ein Gran Pup­pen­stube auch. Ein Stück unschuldige Erotik des Materiellen und des Haben­wol­lens. Ein sex­ueller Stim­u­lus lediglich der hochgele­ge­nen Mit­telohrre­gion im Zuge der Vorah­nung auf das Paradies in Form zum Beispiel — in meinem Falle — eines edlen diskret por­phyr bis wein­rot glänzen­den und prak­tisch geräusch­los aber mit der Kraft eines Mil­itär­last­wa­gens dahin­schweben­den Bent­ley, den ich mir natür­lich nicht leis­ten könnte.
Aber ach! Die Peitsche aus dem vielschat­tierten Grau der an der Real­ität gewonnenen Sta­tis­tiken zum Fetisch Auto schlägt erbar­mungs­los auf den autolüster­nen Hin­tern ein!

Mara, der sich ja schon Beruf­swe­gen mit Sücht­en ausken­nt — auch mit den eige­nen, wie man sieht — weiss, dass zumin­d­est the­o­retisch jede Sucht zu über­winden ist. Eine der Kar­di­nalien der Sucht­ther­a­pie ist die Vorbe­din­gung der Selb­sterken­nt­nis, der Erken­nt­nis des süchti­gen Selb­st. Dieses Erken­nen kann auf mancher­lei Wege erre­icht wer­den. Schauen wir uns doch, um gle­ich damit zu begin­nen, ganz ein­fach in Gemein­schaft den Auto­block von Mara an und fan­gen wir ganz allmäh­lich an ganz sacht unsere Fes­seln zu lock­ern, sie endlich zu lösen, um schliesslich irgend­wann unser vier­räderiges SM-STUDIO im kühlen Licht der noch vorhan­de­nen Gegeben­heit­en und unser­er hof­fentlich noch intak­ten Ver­nun­ft als angenehm nüt­zlich­es aber sehr sparsam zu gebrauchen­den Fort­be­we­gungsmit­tel erken­nen können.

Sind wir in unserem Sado­masochis­mus noch zu retten?

W. Stud­er

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