Nr86 PoliticART Correctness

Plas­tilin blau 1kg, Zelther­ing verzinkt, 12x14x23 cm (LxBxH), © mara 2016
→ Zum Werkkom­men­tar von W. Studer
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Inspiration

Eigentlich möchte der Weich­ling gar kein Weich­ling sein — ich bin ein Weichling.
→ Serie <Weich­linge>

Nicht beugen

Wer nicht will, dass das freie Rin­gen um die Wahr­heit (Mei­­nungs- u. Rede­frei­heit) wieder gewalt­sam unter­drückt wird durch die Macht von über­heb­li­chen Men­schen, die jeder­zeit und unzwei­fel­haft zu wis­sen glauben, was für die Anderen gut ist, wird den Aus­wüchsen der POLITICAL COR­RECT­NESS begeg­nen müssen – indem er sich deren Dik­tum nicht beugt. Denn, so George Orwell, wenn Frei­heit über­haupt etwas bedeutet, dann das Recht, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen. Die dafür unab­ding­bare Zivil­cou­rage bleibt uns zu wünschen…

(Mehr im Pro­log zum Werk: Was sie nicht hören wollen)

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Werk

Gle­icher­massen wie die Schlechtwet­ter­front, die sich aus Sicht der Meteo­ro­logie auf­grund der Summe aller zeit­li­chen, glo­balen und lokalen (Rah­men-) Bedin­gun­gen ergibt, lässt sich eine gesellschaftliche Schlechtwet­ter­front (hier Polit­i­cal Cor­rect­ness) let­ztlich als Ele­ment ein­er Rah­men­hand­lung ver­ste­hen, die sich auf­grund der Summe glo­baler, lokaler und per­sön­li­cher (Rah­men-) Bedin­gungen der Sozi­etät ergibt. Rein sprach­lich (nicht aber in der Sache) bliebe dem­nach sowohl ein mutiges DEN RAHMEN SPRENGEN als auch ein AUS DEM RAHMEN FALLEN zu hin­ter­fragen. Kun­st­sprech: POLITICART CORRECTNESS. → Zum Werkkom­men­tar von W. Studer

Klassifikation

<Nr86 Politi­cART Cor­rect­ness> ist ein Werk aus dem Wer­kraum Rahmenhandlung

Bekanntgabe

Okt 2016 → Was sie nicht hören wollen. Pro­log zum Werk Nr86
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Ein Plädoyer des Rahmenwerkers

Kommentar zum Werk Nr86

von Wal­ter Studer

(stu) Der schöne blaue Weich­ling von Werk Nr26 wird hier im neusten Werk des Kunst­werk­ers Nr86 dop­pelt sin­nig recyk­led. In halb bewusster Anlehnung an die klas­sisch-hel­lenis­tis­che Ikono­gra­phie der vom Pfeil getrof­fe­nen Nike hat Mara seinen Weich­ling insze­niert. Vom kalten Stahl des high tech Her­ing bru­tal durch­bohrt und fest­ge­nagelt sinkt der Weich­ling im ele­gan­ten Seufzer­bo­gen halb nieder, halb bäumt er sich ein let­ztes aber verge­blich­es Mal auf. Die gnaden­lose Durch­set­zung von POLITICAL CORRECTNESS erdolcht die schöne blaue aber lei­der etwas halt­los weiche DEMOKRATIE. Trotz des krassen Kon­trastes der bei­den Mate­ri­alien, der Far­ben und dem offen­baren Fakt des Erstechens bleibt das Werk angenehm abstrakt und das Erleb­nis der plas­tisch aus­ge­führten und ein­fachen ALLEGORIE Mara’s lässt uns kühl und weit­ge­hend ohne Mitleid.

Obwohl — wenn wir Mara’s Pro­log gele­sen haben, wis­sen wir doch eigentlich ganz genau, dass es bei diesem Dra­ma auf dem Sock­el um uns alle, um die DEMOKRATIE bzw. wieder ein­mal auf Deutsch über­set­zt aus­ge­drückt um die HERRSCHAFT DES VOLKES und um die FREIHEIT jedes darin erfassten INDIVIDUUMS, jedes EINZELWESENS, jedes BÜRGERS und jed­er BÜRGERIN geht. Ins­beson­dere spricht Mara jene FREIHEIT DER MEINUNG UND DER REDE an, die uns unsere von uns selb­st getra­gene Gesellschafts­form der DEMOKRATIE garantieren sollte, die aber von der jew­eils dif­fusen Forderung nach POLITICAL CORRECTNESS in Frage gestellt, beschränkt, beschnit­ten oder sog­ar ten­den­ziell zur straf­baren Hand­lung degradiert wird oder wer­den kann.

Natür­lich will der Kunst­werk­er mit diesem und allen anderen seinen Werken nicht jen­em Heer para­noiden Ver­schwöhrungs-The­o­retik­ern und Polit- und Reli­gions­fa­natik­ern mit ihrem Absud gefährlich­ster Lügen und Ide­olo­gien zur rechtlichen Plat­tform für deren ver­balen Ver­brechen ver­helfen. Wie immer, so auch im jüng­sten Werk, ist der Kunst­werk­er darum bemüht, dem mehr oder weniger ver­schüt­teten Denken zum möglichen Durch­bruch und zum zuge­höri­gen Selb­st­be­wusst­sein und einem dif­feren­zierten Men­schen­bild zu ver­helfen. Dazu gehört auch sein Ver­ständ­nis von Demokratie und ein­er demokratis­chen Kul­tur des Gesprächs, der Kom­mu­nika­tion, des Anstandes, der Höflichkeit und des Respek­ts vor poli­tis­chen Geg­n­ern und Ander­s­denk­enden. Genau genom­men ist die ALLEGORIE des neuesten Werkes von Mara also eigentlich ein PLÄDOYER FÜR POLITICAL CORRECTNESS, indem Mara näm­lich die zunehmend und zu unrecht als POLITICAL CORRECTNESS beze­ich­nete Feigheit gegen Poten­tat­en, Feigheit vor kon­tro­vers­er poli­tis­ch­er Debat­te, das Totschweigen von Ungerechtigkeit, das SO-TUN-ALS-OB zu Gun­sten von Parteiun­gen, der Wirtschaft, einzel­ner Per­so­n­en und Grup­pen und so weit­er und so fort angreift. Die Ein­gangs kurz in Worte gefasste ALLEGORIE kann dem­nach auch gegen­teilig ver­standen wer­den: Die tumb blaue Weich­heit ver­meintlich­er POLITICAL CORRECTNESS wird vom Stahl echter und ehrlich­er , eben wirk­lich DEMOKRATISCHER POLITICAL CORRECTNESS ver­nichtet. In dieser manieris­tisch barock­en Sehweise präsen­tiert uns Mara ein­mal mehr ein dop­peldeutiges Werk, das sich selb­st stets Alter­na­tive und Gegen­pol bleibt. Eine DEUS EX MACHINA und  ein YING UND YANG für den All­t­ags­ge­brauch, die uns immer in Erin­nerung zu rufen ver­mö­gen, dass ohne­hin alles immer auch noch anders zu denken ist als es uns zunächst scheint — auch wenn wir mit jed­er gedanklichen Durch­drin­gen eines Rah­mens nur einen neuen schaffen.

Der Kunst­werk­er ist halt eben vorzugsweise auch ein RAHMENWERKER. Warum? Ganz ein­fach deshalb, weil er gar nicht anders kann — genau so wie wir alle anderen auch!

Okt 2016, W. Stud­er

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